Reinhard Mey
Reinhard Mey - Der unendliche Tango der Deutschen Rechtschreibung songtekst
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Hab‘ ein altes Heft gefunden Mit krak‘liger Kinderschrift. Abgewetzt, vergilbt, geschunden Und ein böser, roter Stift Metzelt in den Höhenflügen Meiner armen Niederschrift Mit sadistischem Vergnügen Und verspritzt sein Schlangengift. Und ich spüre, jeder rote Strich am Rand trifft wie ein Pfeil. Die Zensur ist keine Note, Die Zensur ist wie ein Beil. Ich spür‘s, als ob‘s heute wäre Und ich blick‘ zurück im Zorn, Sträfling auf einer Galeere Und der Einpeitscher steht vorn: „Nach L N R, das merke ja, Stehn nie T Z und nie C K Bildest die Mehrzahl du vom Wort, Dann hörst die Endung du sofort Nimm die Regel mit ins Bett: Nach Doppellaut kommt nie T Z Und merke: Trenne nie S T, Denn es tut den beiden weh“ Ich war kein schlechter Erzähler, Aber es war wie verhext: Wo ich schrieb, da waren Fehler Und wo nicht, hab‘ ich gekleckst. Nachhilfe und guter Wille Blieben fruchtlos, ist doch klar, Weil ich meist wegen Sybille Gar nicht bei der Sache war. Wenn ich Schularbeiten machte, Dacht‘ ich immer nur an sie Immer, wenn ich an sie dachte, Litt meine Orthographie Und so hab‘ ich mit ihr eben Lieber probiert, als studiert. Mich interessiert das Leben Und nicht, wie man‘s buchstabiert „Nach L N R, das merke ja, Stehn nie T Z und nie C K Bildest die Mehrzahl du vom Wort, Dann hörst die Endung du sofort Nimm die Regel mit ins Bett: Nach Doppellaut kommt nie T Z Und merke: Trenne nie S T, Denn es tut den beiden weh“ Kreide kreischt über die Tafel, Mir sträubt sich das Nackenhaar. „Setzen, Schluß mit dem Geschwafel“ Es ist wieder wie es war. Und da sitze ich und leide Geduckt an dem kleinen Tisch, Rieche Bohnerwachs und Kreide, Welch ein teuflisches Gemisch Und dann kommt meine Abreibung Und ich werde Anarchist, Der begreift, daß die Rechtschreibung Die Wissenschaft der Esel ist. Ein Freigeist, ein großer Denker, Ein Erfinder, ein Poet, Ein zukünft‘ger Weltenlenker Beugt sich nicht dem Alphabet „Nach L N R, das merke ja, Stehn nie T Z und nie C K Bildest die Mehrzahl du vom Wort, Dann hörst die Endung du sofort Nimm die Regel mit ins Bett: Nach Doppellaut kommt nie T Z Und merke: Trenne nie S T, Denn es tut den beiden weh“ Ich schreib‘ heute noch wie Django Schreib‘ ohne Bevormundung. Trotze dem endlosen Tango Der deutschen Rechtschreibung. Ich hab‘ nur Glück, daß ich heut singe, Und somit ungelesen bleib‘: Ihr wißt von mir 1.000 Dinge Aber nicht, wie ich sie schreib‘ „Nach L N R, das merke ja, Stehn nie T Z und nie C K Bildest die Mehrzahl du vom Wort, Dann hörst die Endung du sofort Nimm die Regel mit ins Bett: Nach Doppellaut kommt nie T Z Und merke: Trenne nie S T, Denn es tut den beiden weh“