Reinhard Mey
Reinhard Mey - Wotan und Wolf songtekst
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Auf dem Autofriedhof in Asterlagen Sitzen sie mit immer knurrendem Magen: Wotan und Wolf wachen übers Revier In einem ausgeschlachteten Renault R4. Zwei Diogenesse in ihrer Tonne Blinzeln träg in die Duisburger Sonne. Wotan kann nicht mehr so wirklich gut sehn Und Wolf zieht den Hinterlauf links nach beim Geh’n. Ihr Dienstauftrag lautet: Diebstahl verhindern Und leider auch den Zutritt von Kindern, Denn die füttern Dönerreste durch den Zaun Und die Wachsamkeit, die leidet beim Kau’n. Ach, sie würden sich auch gern mal streicheln lassen, Doch Beruf ist Beruf und ihrer ist Fassen Wolf hätte ja gern mal sein Pfötchen gereicht, Darf nicht, na, im nächsten Leben vielleicht. Zwei mehr oder wen’ger deutsche Schäferhunde Blicken in Asterlagen in die Runde: Wotan vom Ruhrorter Morgenland Und Wolf von gleich hinter dem Imbißstand. Wotan, wenn man so will, ist ein alter Hase, Mit schrundiger doch noch verdammt guter Nase. Kaczmarek hat ihm Wolf zur Seite gestellt, Sozusagen als Lehrling, der jetzt mit ihm bellt. Wotan hat kahle Stellen im Fell und Krampfadern Und Grund genug, mit seinem Schicksal zu hadern: Null Anerkennung vom Chef und kein Lob, Wenn Kaczmarek kommt, ist er immer nur grob. Wotan träumt: „Wenn doch einmal ein Einbrecher käme, ’nen Rückspiegel oder ’nen Auspuff mitnähme“ So ein schöner, gehbehinderter müßte es sein, ’nen jungen kriegt’ er ja längst nicht mehr ein Dann würde er hinter den Nockenwellen Hervorschnellen und den Tunichtgut stellen Und wehmütig spürt er, er hat über zehn Frühlinge schon keine Hündin mehr geseh’n. Ja, ja, auch alte deutsche Schäferhunde Träumen noch von einer Schäferstunde Wotan vom Ruhrorter Morgenland Und Wolf von gleich hinter dem Imbißstand. Wotan und Wolf verlor’n in Gedanken, Kommt auch schon mal vor, daß die beiden sich zanken, Zoff im R4, dann verkrümelt sich Wolf Für ein Weilchen zum Schmoll’n in einen zweier Golf. Er döst ein und aus den Tiefen seiner Gene Steigt ein Traum, immer die gleiche Szene: Von der Herde entfernt sich ein hellblaues Schaf, Wolf’ knurrt und seine Läufe zucken im Schlaf, Dann treibt er das Schaf zurück auf die Weide, Schreckt hoch aus dem Traum und dann bellen sie beide: Wotan bellt auf Verdacht, stocktaub oder fast, Hat er Angst, daß er mal einen Anlaß verpaßt. Dann leckt Wolf ihm das Fell, er macht sich ja Sorgen, Er weiß doch, er ist der Alte von morgen Einer ist jung und einer ist alt, Einer des anderen Stütze und Halt. Einer hilft dem anderen sein Bündel tragen, So geht das in Duisburg-Asterlagen Bei Wotan vom Ruhrorter Morgenland Und Wolf von gleich hinter dem Imbißstand.