Herman Van Veen
Herman Van Veen - Die Witwe songtekst
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Katharina, die Witwe von Boas, sitzt am Fenster des Cafes und stochert lustlos mit ihrer Kuchengabel im Sahnebaiser. Schon Viertel nach drei, und es ist nichts passiert. Sie blickt verloren auf ein knutschendes Pärchen und möchte es am liebsten küssen, ihm die Augen auskratzen, es aufreißen mit ihren Nägeln, und ihm am liebsten zuflüstern: »Knutschen, das hab' ich auch gemacht. Ich war achtzehn und wunderschön, und sie machten mir den Hof: gute Kerle, reiche Kerle, Dichter, Politiker, und da war auch — wie heißt er noch? Er hatte ein Muttermal, und er hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten wollte. Und es regnete, und wir standen uns gegenüber am Bahnhof, und er hob mich hoch, und er wirbelte mich herum, und er küßte mich auf die Stirn. Nein, ich wurde nicht seine Frau; er hatte nur Flausen im Kopf, er nannte sie Ideale. Ich wurde die Frau von Boas, Sie kennen ihn bestimmt: Beton, Stahl, Häuser, Ländereien ... Er war sehr lieb zu den Kindern.« Katharina, die Witwe von Boas, ihre überflüssige Gesichtshaut wurde ihr kunstvoll hinter den Ohren zusammengezogen; sie ist weit über vierzig. Ihre Kontaktlinsen schwimmen in Mascara, und durch ihre durchsichtige Bluse sieht man in der Ferne sich etwas bewegen. Ein strammer junger Mann — sein Schwanz wirkt wie draufgemalt- geht hüftenschwingend vorbei und flüstert hinter seiner Zeitung, daß er sie gerne für einen Hunderter verwöhnen würde. Und sie möchte ihm am liebsten »Hau ab!« sagen, und sie möchte ihm am liebsten zuflüstern: »Ach Gott, hab' ich doch auch gemacht! Ich war achtzehn und unglaublich, und sie machten mir den Hof: gute Kerle, reiche Kerle, Dichter, Politiker, Jungs wie du, und da war auch — na, wie heißt er noch? Er hatte ein Muttermal, und er hat mich gefragt: " Willst du meine Frau werden?' Damals ... und es regnete, und wir standen durchnäßt beim Bahnhof, und er hob mich hoch, und er wirbelte mich herum, und er fragte mich: "Willst du meine Frau werden?" Nein, ich wurde nicht seine Frau, ich wurde die Frau von Boas, dem Herrn von allem.« Katharina, die Witwe von Boas, winkt dem Ober und sagt: »Das war's für heute!« Und sie geht zum Nachbartisch, zieht einen Hunderter und sagt: »Wie wär's mit uns?«